Die Japanische HardCore-Band Sajjanu im XB Liebig
Was machen drei Japaner auf der Durchreise von Oslo nach Paris in einem der letzten besetzten Häuser Berlins? Sie machen Krach, herrlich anarchischen, unorthodox arrangierten, unrhythmischen und trotzdem bezaubernden Krach. Was will man auch von einer Band ohne Bass, einem Schlagzeuger, der sich standhaft dem Groove verweigert und zwei Gitarristen, die die ganze Zeit gleichzeitig spielen anderes erwarten? In einer kurzen Passage, vielleicht drei Minuten lang, versucht sich der Schlagzeuger auf einen zarten Lauf mit zwei Beckenschlägen und einer groovenden Snare zu konzentrieren. Auf diesem Teppich hören sich die Gitarren für diesen Moment fast wie klassische Rockgitarren an, ihre harmonischen Läufe wie Zitate von Adrian Belew oder John Zorn.
Das ganze restliche Konzert lang, das trotz mehrfacher Applausunterbrechungen durch das 15köpfige, aber für 30 enthusiastische Publikum, nur aus zwei Stücken bestand, blieb kein Stein auf dem anderen. Will sagen: es gab keine Gnade, nichts deutete auf Wiedererkennung hin, nicht der kleinste Lauf wurde wiederholt, keine unserer sehnsüchtigen Erwartungen nach Redundanz erfüllt. Die ungeheure Energie des Schlagzeugers, der vor dem Konzert T-Shirt und Hose abgelegt hatte, löste sich in einer unendlichen Reihung von Trommelwirbeln, die vor- und zurück, rauf- und runter liefen und dabei nur darauf aus zu sein schienen, etwa als tonale Wiederholungen verdächtige Stockbewegungen ausserhalb eines mit unserem Kurzzeitgedächtnis zu überschauenden Zeitraums zu platzieren.
Vor der Liebig, wie diese letzte Ikone der Anarchie in einem von Familien-Bauprojekten durchseuchten Bezirk heißt, hatte mir der dritte eintreffende Besucher bereits „Weltklasse“ zugeraunt. Er konnte es einschätzen, denn er war schon vor zwei Wochen im Schokoladen zusammen mit einem mindestens doppelt so großem Publikum Ohrenzeuge dieser asiatischen Klangkunst gewesen. Tom dagegen, der kräftige Familienvater, ex-Anarchist und ex-Katholik, der mir schon vor dem Konzert bei einem kleinen Problem, akute Materialermüdung an einer Schaltstelle der Brillenfassung, zur Hilfe geeilt war, kannte sie vorher nicht. Er war aber auch auf Empfehlung da und nach dem Konzert dankbar, das er dem inneren Familienvater-Schweinehund und seinen Einflüsterungen in Richtung Couch und Tatort, den nötigen Widerstand entgegen gesetzt hatte. „Krasses Zeug“ so Toms Einschätzung, „echt krass…“
Mehr gibt es im Grunde auch zu diesem 40 Minuten langen Konzert in einer fremden Sprache nicht zu sagen.
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