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Der Tag tanzt

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Die Tür am gegenüberliegenden Ende der Vorhalle öffnete sich automatisch. Ihre plötzliche Bewegung stoppte die beiden Jungen auf dem Gehsteig und ließ sie in die stille Tristess des glasumfangenen Raums starren, an dessen anderem Ende die Lichter in der Akademie zu dieser späten Stunde und an diesem unwirtlichen Ort noch Leben und Abenteuer verhießen.

Ihre Silhouetten standen vor dem scheckigen grau des Mahnmals. „Wo ist denn hier noch was los?“ Sie waren kaum älter als fünfzehn oder sechszehn, die Gesichter glühten vor Erwartung und von der unzweifelhaft mit Schnaps angereichten Cola, die sie jeder in einer eigenen Flasche in der Hand hielten. „Was sucht ihr denn?“ „Wir sind noch nicht achtzehn…“ Die Klage der Pubertät, die unmöglich begreifen kann, das das ersehnte Erreichen der magischen Altersgrenzen ihr Leben aus dem verlockenden Reich der Möglichkeiten in die Schatten der Notwendigkeiten katapultieren wird.

„Meine Schwester spielt in so einem Videoclip mit, hat sie gewonnen, sie tanzt dann morgen bei Dj:Rip und wir, ich und mein Kollege hier, wir sind einfach mitgefahren, für eine Nacht 40 Euro, das geht…“ Eine Nacht in Berlin, die Suche nach dem Leben gestrandet auf einer menschenleeren Nebenstrasse. Kreuzberg, Schöneberg zu weit für Dienstag, die Uhrzeit und noch dazu zu Fuß. Also zur Oranienburger, Touristenmeile heute, damals war „Obst und Gemüse“ der erste Flaschenbierausschank. „Wie alt warst Du denn da?“ Irgendwas mit zwanzig heißt für sie alt und jung zugleich, in jedem Fall Geschichte. Links, rechts, unter den Linden, der Dom. Verabschiedung mit Handschlag, dann geht es los, die Nacht gehört ihnen. Und der Tag tanzt.


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